Samstag, 23. Juli 2016

Vom Luxus des Planens

(Quelle: http://pin.it/L8xFtC; letzter Zugriff: 20.7.2016)

Wer chronisch krank ist, der kennt das Gefühl: bereits wenn man an einen Plan nur denkt, beginnt man schon mit den Überlegungen dazu, was passiert, wenn man den Plan wieder nicht ausführen kann, wenn man wieder etwas absagen muss und sich und andere vermeintlich enttäuscht. Aber soll man es deswegen ganz sein lassen? Ich meine nein, denn was gibt es schöneres, als wenn man seine Sorgen überwunden und ein neues Abenteuer begonnen hat. So jedenfalls ging es mir nach dem ersten Wochenende meiner Yogaausbildung im Cool Yoga in Dortmund. Müde, aber sehr zufrieden, wurde ich am Morgen danach wach und konnte es kaum glauben: aus einem unsicheren Plan, war eine neue Möglichkeit geschlüpft. 

In den Monaten vor Beginn der Yogaausbildung habe ich mich häufig gefragt, ob es der richtige Zeitpunkt dafür sei, ob mein Körper die Anstrengungen mitmachen würde und ob ich fit genug wäre, um eine Yogaausbildung zu beginnen. Inzwischen hat es sich einfach als realistisch herausgestellt, dass ich so ungefähr 80% meiner geplanten Aktivitäten absagen muss, da mein Körper mit Durchfällen, Bauchkrämpfen, Nervenschmerzen (oder was auch immer) streikt, ich mich häufig krank, schlapp und nicht in der Lage fühle, das Haus zu verlassen und/ oder mir andere Menschen (nicht böse gemeint!) einfach zu anstrengend sind. Dabei spielt der Morbus Crohn eine deutlich wichtigere Rolle als die Zöliakie, die ich durch meinen absoluten Verzicht auf Gluten gut im Griff habe. Würde da eine so zeit- und kraftintensive Ausbildung überhaupt Sinn machen? 

Nun, abschließend kann ich das natürlich noch nicht beantworten und ob es das beste Abenteuer meines Lebens wird, auch nicht, denn ich stehe am Anfang. Allerdings kann ich sagen, dass es mir geholfen hat, vorher alle Fragen, die mir wichtig waren, zu stellen, z.B. was ist, wenn ich nicht an allen Übungsphasen teilnehmen kann? Gibt es regelmäßige Pausen bzw. kann ich auf Toilette gehen, wann immer ich muss? Gibt es Frühstücks- oder Mittagspausen, die mir genug Zeit lassen, in Ruhe mein mitgebrachtes Essen zu verzehren? Was ist, wenn ich während der Vorlesungen wegen meiner Bauchschmerzen nicht mehr sitzen kann? Wie so oft, stellte sich heraus, dass sprechenden Menschen oft (und zufriedenstellend) geholfen werden kann. So durfte ich mich, natürlich weiterhin aufmerksam zuhörend, zwischendurch auf meine Matte legen, wann ich auf die Toilette ging, interessierte überhaupt keinen und bei den Übungssequenzen machte ich, ganz yogisch in mich hineinhorchend, eine Pause, wann immer es nötig war. 

Geholfen hat mir auch die Lektüre des ersten Buches in unserer Ausbildung. In seinem Buch "Yoga: Tradition und Erfahrung" führt T.K.V. Desikachar z.B aus, dass Yoga immer und für jeden Menschen dort beginnen soll, wo sich der jeweilige Mensch gerade befindet, nämlich „dort, wo wir sind, so, wie wir sind und was geschieht, geschieht“. Das heißt für mich, dass Yoga nicht nur für fitte und gesunde geeignet ist, wie es einem heute in Zeitschriften, Fitness- aber auch in manchen Yogastudios suggeriert wird. Stattdessen kann es eben auch für kranke und erschöpfte eine echte Alternative sein (angedeutet habe ich dies ja bereits hier: Yoga und ich). Denn im Gegensatz zu vielen Sportarten ist der Anfangspunkt nicht festgelegt. Natürlich, die Übende muss ein gewisses Interesse und Engagement beim Üben mitbringen. Es soll aber alles„schrittweise“ geschehen und den Menschen nicht überfordern. 

Dass wir dort beginnen können, wo wir sind, mit den Einschränkungen, mit denen wir umgehen, ist also ein Satz, der mich nicht nur überrascht, sondern der mich auch entspannt hat, weil mir der Druck genommen wurde, schon vor Beginn der Ausbildung, alle Anforderungen, egal ob real oder nur antizipiert, zu erfüllen. Nun, oben sagte ich ja schon, dass es manchmal schwierig ist, Pläne zu machen und noch schwieriger, diese dann in die Tat umzusetzen. Keine Pläne zu machen, ist allerdings auch keine Lösung, denn wir sind Menschen und haben als diese die Kapazität des Planens und Voraussehens anderen Lebewesen voraus und müssen sie, in sinnvollem Maße für uns, aber auch im Zusammenleben mit unseren Mitmenschen, einsetzen. Es kann Phasen in unserem Leben geben, in denen es uns gut tut, nicht zu planen, in den Tag hineinzuleben und zur Ruhe zu kommen. Ich bin auch nicht dafür, dass man jedes kleinste Detail plant und seine (auch gedankliche) Flexibilität dadurch komplett verliert. Grundsätzlich aber scheint mir ein dauerhaftes Nichtplanen und sich der Angst, etwas könne wieder nicht funktionieren, Hingeben, lebensverneinend zu sein. Genau das findet sich auch bei Desikachar, wenn er schreibt, dass „Yoga nicht passiv [ist]. Wir müssen uns am Leben beteiligen“.

Und so weiß ich zwar nicht, was kommt, aber ich habe den ersten Schritt als Teacher Trainee getan und bin darauf gerade ein bisschen stolz. Warum ich das erzähle? Weil ich allen, die auch eine chronische Erkrankung haben und sich manchmal dadurch eingeschränkt fühlen, Mut machen möchte. Denn egal, ob ihr ein Eis essen gehen möchtet, den nächsten Urlaub oder eine berufliche Ergänzung oder Veränderung plant: wer es von vornherein nicht wagt, der weiß auch gar nicht, was er vielleicht gewinnen könnte.

In diesem Sinne: einen sonnigen und mutigen Tag!
It goes on,
Josie

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