Freitag, 4. Dezember 2015

12 Monate

12 Monate ist es her seit ich meine Diagnosen bekam: Zöliakie und Morbus Crohn. Ich bekam ein Rezept, auf dem ich nur das Wort "Kortison" sah und schwammige Empfehlungen dazu, was ich essen konnte/durfte/sollte. Wenige Tage später war ich im Krankenhaus und während zwar die schlimmsten Symptome unter dem Kortison und der sonstigen Therapie dort weggingen, ging es mir nicht wirklich gut. Und während ich alles, was mir nach wie vor nicht bekam und z.T. zu großen Schmerzen, Krämpfen, Kreislaufproblemen oder Schweißausbrüchen führte, in einem Ernährungs- und Symptomtagebuch aufschrieb, waren sich die dortige Ernährungsberaterin und der Arzt uneinig darüber, ob ich für immer gf essen sollte oder vielleicht doch nur für 3-6 Monate. Zusätzlich hieß es immer, ich solle einfach essen, was mir gut täte. Diese Aussage wurde meist mit einem fröhlichen "hören sie doch einfach auf ihren Bauch" abgerundet. Ich erinnere mich daran, dass ich, als ich einen meiner ersten Posts schrieb, darüber ziemlich verzweifelt war. Denn wo fängt man wirklich an, wenn fast nichts mehr geht?

12 Monate später bin ich inzwischen um einiges schlauer, was diese Autoimmunerkankungen bedeuten. Weniger, weil ich von meinen Ärzten besonders viel Hilfreiches erfahren hätte, als viel mehr deshalb, weil ich bei einer sehr kompetenten Ernährungsberaterin und einer Heilpraktikerin gewesen bin, die mir Vieles erklärt haben. Außerdem habe ich unglaublich viel über beide Erkrankungen gelesen. Etwas, das ich ursprünglich nicht tun wollte, um mich nicht zu sehr in die ganze "Sache" reinzusteigern. Aber "knowledge empowers" und hilft einem, sein Essen wieder selbst in die Hand zu nehmen. So habe ich inzwischen folgende, für mich sehr wichtige, Dinge gelernt:
1. Die Zöliakie bildet sich in den meisten Fällen zurück, wenn man sich dauerhaft und ausnahmslos an die Diät hält, die übrigens bei weitem nicht so schwierig ist, wie anfangs gedacht. Die letzte Magenspiegelung hat dies eindeutig ergeben. Meine kleinen Vili im Dünndarm haben sich erholt, Leukozyten waren nicht mehr nachweisbar und ich froh darüber, dass mein Körper so gute Arbeit geleistet hat. Allerdings lest ihr ja selbst: dauerhaft ist das Zauberwort. Von einer vorübergehenden Diät kann, entgegen der Erstaussagen im Krankenhaus, keine Rede sein!
2. Ein kleiner Grundkurs in Logik: Nur weil A (Gluten) nicht mehr vertragen wird, heißt das nicht, dass B (Kuhmilch und Laktose) oder C (Fruktose) problemlos vertragen werden. Das merken viele spätestens dann, wenn sie von den ersten gekauften Ersatzprodukten Bauchschmerzen, Durchfall etc. bekommen und die detektivische Suche nach der Ursache beginnt. Über die beiden obigen, vielleicht häufigsten Auslöser, hinaus kommen auch Histamin, die FODMAPs, Mais, Soja usw. usw. immer als mögliche Übeltäter in Frage. Aber vielleicht auch nicht immer, sondern nur manchmal, an bestimmten Tagen, in bestimmten Situationen oder in bestimmten Mengen. Logisch oder ;)?
3. Die Sache mit dem Morbus Crohn ist bei weitem nicht so einfach. Bisher hat sich mir einfach noch nicht erschlossen, wie ich selbst nachhaltig beeinflussen kann, ob ich wieder einen Schub bekomme oder nicht. Ich nehme nach wie vor Prednisolon und Entocort, Salofalk und Pantoprazol. Das einzige, was variiert, ist die Menge des Prednisolons. Entsprechend der Schwere des Schubs fahre ich hoch bzw. wieder runter. Im englischen gibt es das schöne Wort "nerve wrecking" und genau das ist es manchmal, denn die Nebenwirkungen sind nach wie vor beträchtlich und die Überlegungen zu dem, was ich essen kann bzw. nicht, manchmal einfach nur nervig. Trotzdem arrangiert man sich irgendwie auch damit und wenn mal wieder, wie gerade, eine Phase ansteht, in der es besonders schlimm ist, dann esse ich halt nur Hirsebrei, Süßkartoffelsuppe und Reis. Die Erfahrung zeigt ja, dass der Verlauf ein wenig wie eine Achterbahn ist: auf eine schlechte Phase folgt dementsprechend wahrscheinlich auch wieder eine gute.
4. Viele Ärzte scheinen viel Humor zu haben. Oder sie lesen viel "Brigitte". Denn einem Menschen mit einer Darmerkrankung zu sagen "hören sie doch einfach auf ihren Bauch" ist einfach nur ein Witz und zeugt entweder von fehlender Menschenkenntnis, fehlender Lebenserfahrung oder zu viel Lektüre populärpsychologischer Artikelchen, die für ein besseres "Bauchgefühl", "in sich hineinhorchen" u.Ä. als einem Allheilmittel plädieren. 

12 Monate weiter, habe ich aber auch, neben der Medikamente und meiner persönlichen "Schonkost", Hilfsmittel zur Hand, die  mich zwar nicht gesund machen, mir aber zumindest helfen, mich subjektiv besser zu fühlen. Ich nenne sie meine "Säulen": Ernährung, Yoga und Bewegung, Ruhe und Schlaf. Sie helfen mir zu einem weitestgehend ruhigen und besonnenen Umgang mit den Erkrankungen und helfen in den meisten Fällen Panik, Hysterie und Angst zu verhindern. Das bedeutet für mich allerdings auch, dass ich diesen ganzen (rheinischen?) Peptalk hinter mir gelassen habe. Mit "et hätt noch imma jot jejange" usw. kommt man nicht immer weiter und das amerikanisch-naive "LIfe is good" hat sich auch nicht als wirkliche Hilfe erwiesen. Sich dem ganzen stattdessen asiatisch anzunähern, das Leben zu entpersonifizieren und einigermaßen gleichmütig hinzunehmen, was kommt, ist das, was sich für mich im Laufe des Jahres als praktikabel erwiesen hat. Dazu passt auch gut das Zitat des amerikanischen Dichters Robert Frost: In three words, I can sum up everything I learned about life: it goes on. Inzwischen ziert dieser Spruch auch mein Handgelenk, denn wenn ich eins gelernt habe, dann, dass das Leben vorrangig "ist". D.h. es geht weiter, egal wie es mir persönlich geht. Ich weiß, dass dies keine neue Erkenntnis ist. Trotzdem fühlt es sich anders an, ob man dies "nur" irgendwo liest oder ob man aufgrund der eigenen Erfahrung dahin kommt und es versucht anzunehmen.



Und genau deswegen werde ich mich jetzt auch von meinem "Auf das, was kommt" erstmal verabschieden und euch mit einem gleichmütigen "It goes on" für heute einen schönen Tag wünschen,
Josie

PS: Aber nicht, ohne euch noch ein paar Einkaufstipps in Bochum zu nennen. In der Drehscheibe ist das REFORMHAUS BACHER und dort gibt es eine wirklich ansehnliche Auswahl an Produkten von Schär, Schnitzer, Hammermühle, 3 Pauly, Poensgen und Bauck. Außerdem befindet sich im Citypoint GUTSGEFLÜGEL, wo es z.B. Brathähnchen u.Ä. gibt. Alle Allergene sind übersichtlich und auf den ersten Blick erkennbar aufgeführt angebracht. Und, siehe da, vieles ist tatsächlich glutenfrei und lecker:)