Wir werden Silvester in einem Wellnesshotel verbringen. Zu zweit, in Ruhe und wahrscheinlich ohne große Party, denn danach ist mir nach diesem Jahr nicht. Ich möchte nicht mehr länger auf dieses Jahr zurückblicken (was auf Dauer ja eh nicht so gut für die Halswirbelsäule ist). Und da ich immernoch nicht in die Zukunft blicken kann, obwohl mir meine Augenärztin immer sagt, ich sei weitsichtig, möchte ich einfach und ganz unauffällig ins neue Jahr gleiten. Ohne viel Aufhebens und Tamtam. Ohne Schwüre, dass das bestimmt "mein Jahr" wird, ich "durchstarte" und "alles besser wird". Ich brauche weder Positivismus noch Pessimismus, weil ich inzwischen weiß: Ich weiß zwar nicht, was kommt. Aber es wird gut genug werden! Wie immer. Wie auch das letzte Jahr...
Puuuh, was soll das jetzt heißen? Gut genug? 2019 war streckenweise schon ziemlich suboptimal, um nicht (ganz ruhrpottmäßig) zu sagen "Kacke". Es begann mit grippalen Infekten und einer Wurzelspitzenresektion und es dauerte bis ich Mitte Februar endlich mit der Wiedereingliederung nach der Bauchspiegelung 2018 beginnen konnte. Das war anstrengend, aber ich war richtig happy! Endlich wieder zu arbeiten, einem geregelten Alltag nachzugehen, meine Kollegen etc. zu sehen. Herrlich! Wer einmal lange krankgeschrieben war, weiß, wovon ich spreche. Dummerweise stellte sich der Crohn ab April trotz Stelara an: aufgrund einer Stenose im Zwölffingerdarm musste ich mich oft übergeben, mir war immer schlecht. Die Arbeit wurde wieder deutlich anstrengender. Trotzdem schaffte ich es und eine Änderung der Medikation bewirkte dann, dass es mir einige Wochen später besser ging. Yeah, der Sommer konnte kommen! Aber halt! Ab Ende Juni musste ich für ein paar Wochen ins Krankenhaus, weil ich einen Abszess im Spinalkanal hatte, der notoperiert und danach aufgrund der begleitenden Blutvergiftung langwierig mit verschiedenen Antibiotika behandelt werden musste. Auch wenn nicht 100%ig klar ist, woher dieser Abszess kam, gingen die Ärzte doch davon aus, dass die Kombination aus Morbus Crohn, Kortison und Stelara (Immunsuppressivum) und einer Spritze in den Rücken beim Radiologen dazu geführt haben. Man könnte auch sagen, dass es einfach Pech war. Whatever, irgendwie ist es mir inzwischen auch egal. Fakt ist, dass das Geschehen mein Jahr nachhaltig beeinflusst hat. Und so beginnt 2020 wie es aufgehört hat: mit mehrfachen wöchentlichen Infusionen und Physiotherapie. Mit täglichen Übungen, Schmerzmitteln, viel Erholung und noch mehr Geduld.
Ok, und weiter? Wieso sage ich jetzt, dass das alte Jahr doch noch "gut genug" war und ich zuversichtlich bin, dass das Neue "gut genug" werden wird? Weil neben allen oben beschriebenen Fun Facts auch wieder richtig viel Gutes passiert ist: die Antibiotika gegen die Blutvergiftung haben geholfen, ich konnte einen weiteren OP-Termin absagen. Meine Familie und Freunde haben mir wieder mal gezeigt, dass sie mir in krassen Situationen beistehen, mit mir heulen, aber auch mindestens doppelt so viel lachen (oder vielleicht dreimal so viel?!). Ich war im Sommerurlaub und konnte das Meer ebenso wie unfassbar gute Bücher genießen (und auch ein paar wenige, eigentlich ja zu wenige, Ouzo). Ich habe meine Meditations- und Yogapraxis anders, aber für mich nicht weniger wertvoll fortgesetzt. Ich habe es gegen Ende des Jahres ein paar Mal bei Glühwein und ähnlichem richtig, wenn auch unvernünftig, krachen lassen... Und auch wenn ich vielleicht mit dem oben genannten Radiologen spritzentechnisch nicht das große Los gezogen habe, so hatte ich Therapeuten um mich herum, die zuversichtlich blieben und immer wieder neue Ideen aus dem Hut zogen: Infusionen und Nahrungsergänzungsmittel, physiotherapeutische Übungen und gute Tipps. Zu wissen, dass ich mich in sämtlichen Lebensbereichen auf andere verlassen und auch mal abstützen konnte während ich heilte, war für mich unglaublich wichtig. Und das war tatsächlich nicht nur "gut genug", sondern einfach "richtig gut".
(Quelle: https://thelovequotes.net/birthday-cards/celebrity-quotes-motivational-quotes-3; letzter Zugriff: 29.12.2019)
Ich bin wahrlich keine Mathematikerin (was für eine Offenbarung). Aber wenn ich es mir so ausrechne, dann ist "gut genug" für jemanden mit so viel körperlichem Kram schon eine ziemlich gute Ausbeute. Im Schnitt heißt es ja nur das, was man eigentlich eh weiß: es geht Auf und Ab. Aber genau das finde ich so unheimlich wichtig, diese immer wiederkehrende Erfahrung des Aufs. Denn auch, wenn die Abs schwer sind und auch ich mich im bzw. nach dem Sommer immer wieder gefragt habe, wann endlich wieder das erlösende Auf kommt. Je länger man "dabei" ist (und hier kannst du einsetzen, was du willst: alt, weise, lebenserfahren, krank, gezeichnet...you name it), desto gelassener kann man insgesamt mit dem, was passiert umgehen. Desto zuversichtlicher kann man darauf blicken, was kommt. Und desto vertrauensvoller weiß man, dass man sich auf sich verlassen kann. Und das sind sogar Gleichungen, die ich verstehe:)
In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du im Kreise deiner Lieben, mit oder ohne Party, einigermaßen beschwerdearm ins neue Jahr starten kannst und dass dein neues Jahr "gut genug" wird und du ebenso wie ich feststellst, dass Mathe vielleicht doch gar nicht so schwer ist.
Bis 2020,
Josie