Sonntag, 19. Mai 2019

Life takes guts

Als ich vor ein paar Wochen auf Instagram eine andere Bauchheldin mit dem Spruch "Life takes guts" sah, wusste ich sofort, dass ich das T-Shirt, auf dem der Spruch prankte, auch haben wollte. Denn "guts" heißt sowohl "Mut, Tapferkeit" als auch "Darm, Gedärme". Und was, wenn nicht Mut und Tapferkeit, kann man für das Leben mit einer (Darm-)Erkrankung gebrauchen?


Vielleicht wird die eine oder andere jetzt denken: "Mut? Braucht man den nicht immer mal, egal ob gesund oder krank?" Sicher, aber mit einer Erkrankung an einem Körperteil, über das immernoch viel zu wenig und wenn, dann häufig hinter vorgehaltener Hand, gesprochen wird, vielleicht noch ein bisschen mehr. Ich brauche also Mut💪...

1. ...besonders mir selbst gegenüber
Das ist das Allerwichtigste. Denn ich weiß noch, dass ich im Krankenhaus lag und anfangs keine Bücher über die Erkrankung lesen oder darüber wirklich mehr erfahren wollte. Ich war mit der Zöliakie, die gleichzeitig diagnostiziert wurde, beschäftigt und dachte, dass sie die eigentliche Herausforderung wäre. Der Crohn, dachte ich, würde nach ein paar Wochen mit Medikamenten schon wieder verschwinden. Ich hatte zwar das Wort "chronisch" gehört, es aber geflisstentlich überhört. Ähhh, ja, schade. Während es mir heute keine Probleme mehr bereitet, mich glutenfrei zu ernähren und ich an vielen Tagen gar nicht mehr dran denke, ist das mit dem Crohn ganz anders. Und so musste ich irgendwann den Mut aufbringen, der Wahrheit ins Auge zu blicken: ich habe Morbus Crohn, eine chronische Erkrankung mit bei mir schwerem Verlauf, der mich jeden Tag aufs neue (heraus)fordert. Aber da mir Selbstmitleid und Opfersein nicht liegen, krempelte ich die Ärmel hoch und las mich ein, bestellte mir die wenigen Bücher, die es gab und klickte mich durch Blogs anderer Betroffener. Und auch wenn ich manches Mal erschrak, weil mich die Geschichten teilweise echt erschütterten, tat es mir auch sehr gut und gab mir Mut. Mut, Pfade auch neben der Schulmedizin zu begehen. Mut, meinen Yogaweg zu intensivieren. Mut, neue Lebensmittel auszuprobieren. Mut eben, meinen Weg zu gehen🚶Nicht alles ist erfolgreich, aber das weiß man ja nur, wenn man es probiert. 

2. ...gegenüber meiner Familie und Freunden
Offen und ehrlich mit der Erkrankung umzugehen, zu erklären (auch gerne öfter), was und welche Beschwerden man hat, finde ich wichtig. Aber es kostest mich immer noch Kraft und Mut, mich einerseits immer wieder zu verabreden...und dann zu canceln. Pläne zu machen...um dann kurz vorher abzuspringen. Neinzusagen oder kurz angebunden zu sein, weil ich zu kaputt für alles bin und nur meine Ruhe haben will. Und auch wenn dabei ein paar Menschen auf der Strecke geblieben sind, viele sind bei mir geblieben oder neu dazu gekommen💜 Bei allem alltäglichen Mist, dafür kann ich einfach nur froh und dankbar sein!

3. ...auf der Arbeit
Gerade wenn man täglich auch mit Menschen umgeht, mit denen man eigentlich gar nicht so viel zu tun hat, muss man sich fragen, was man preisgibt. Da ich aber leider immer wieder und oft länger fehle, gehe ich auch auf der Arbeit mit meinen Kollegen und meinem Chef offen um (naja, bis zu einem gewissen Grad halt. Es ist ja, zum Glück nicht immer wichtig, über die Konsistenz des Stuhls oder die Frequenz an Erbrechen zu sprechen🙈). Auch wenn es anfangs komisch war, mich Überwindung und ja, auch eine Portion Mut, gekostet hat, besonders auch meinen Chef in Darmspiegelungen, Medikamentenumstellung oder Krankenhausaufenthalte einzuweihen, habe ich es nicht bereut und er betont immer wieder, wie wichtig für ihn ein offenes Verhältnis ist, damit er in diesem großen Betrieb sinnvoll planen kann. Es fühlt sich natürlich immer doof an, wenn ich mich krankmelden muss und ich wünschte, ich müsste es nicht so oft tun. Aber wenigstens brauche ich mich auf der Arbeit nicht zu erklären oder Angst zu haben.

4.... beim Arzt
Ich weiß ja nicht, wie eure Erfahrungen mit Ärzten sind💉 In den letzten Jahren habe ich ein paar schlechte und sehr viele gute gesammelt. Das aber auch, weil ich inzwischen meine Frau stehe. Wie sagte neulich ein Arzt zu mir? "Sie sind die beste Expertin, wenn es um ihren eigenen Körper und um ihre Gesundheit geht!" Echt jetzt?! Das wurde mir nicht immer zugestanden und wenn ich mit euch schreibe oder spreche, dann ist das offensichtlich auch 2019 noch nicht selbstverständlich. Dabei dürfen wir nie vergessen, dass es bei jedem Arzt, den wir aufsuchen, nur um uns geht. Wir haben die Schmerzen, wir müssen uns über die ganzen Therapiemöglichkeiten auseinandersetzen und wir versuchen trotzdem einen glücklichen Alltag zu leben. Missachtet das ein Arzt, dann bin ich inzwischen weg und bei einem anderen. Und das Recht hat jeder, nicht nur ich!

5. ... und immer wieder Mut
Am Anfang. Ich erinnere mich noch, wie ich den ersten Menschen um mich rum versucht habe zu erklären, was ich hatte und immer wieder dachte: "Oh Gott, wie erzählst zu ihnen nur, was du hast, ohne ständig über deinen Darm, seine Ausscheidungen und dein Innerstes zu berichten?" Nachdem ich ein paar Mal rumlaviert hatte und hinterher den Eindruck hatte, mein Gegenüber hatte gar nicht verstanden, was ich versucht hatte zu erklären, fasste ich mir ein Herz, wurde "gutsy" und begann, diesen Blog zu schreiben und entspannter mit der Erkrankung und allem, was dazu gehörte, umzugehen. Und auch wenn ich glaube, dass ich das in allen Höhen und Tiefen ganz gut hinbekomme, habe auch ich Tage, an denen ich nicht mutig bin. Das sind Tage, an denen ich "Ja" sage, obwohl ich "Nein" meine, Tage, an denen ich mir fast ein zweites Immunsuppressivum aufschwatzen lasse, weil ich die Ärztin nicht verärgern möchte, und Tage, an denen ich mich nicht zum Yoga traue, weil ich nicht möchte, dass meine Yogaschüler sehen, wie schlapp und kaputt ihre Yogalehrerin oft ist. Und ja, das sind auch Tage, an denen ich mich auf meinem Blog oder in den sozialen Medien nicht blicken lasse, weil ich mich zu schlecht fühle, um anderen Mut zu machen. 

Inzwischen weiß ich, dass solche Tage dazugehören. Das heißt nicht, dass sie schön sind, but that's life. Und ich weiß, dass ich darauf Vertrauen kann, dass sie vorübergehen. Ich weiß, dass ich nach einem Rückschlag mit Stärke wiederaufstehen kann...und ich weiß, dass wenn alles nix hilft, ich meinen Freund oder meine Mutter anrufen kann, um zum Lachen gebracht zu werden. Denn ohne Humor geht's genauso wenig wie ohne Mut, oder? 

Ich wünsche euch einen schönen Welt-CED-Tag und sage bis bald, ihr lieben Mitkämpfer!
Josie

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