Mittwoch, 30. November 2016

Verletzlichkeit

Nachdem ich neulich meinen Brigitte-Artikel veröffentlicht habe (den ihr hier findet, wenn ihr möchtet: Mein (gutes) Leben mit Morbus Crohn und Zöliakie), bekam ich viel Lob und Zuspruch. Das hat mich einerseits natürlich sehr gefreut. Andererseits hat es mich aber auch nachdenklich gemacht, denn viel Lob ging in die Richtung: Toll, dass du so ehrlich über deine Krankheit schreibst, ich könnte das nicht. Ich weiß ja noch nicht mal, wie ich das meiner Familie/Mann/Freund/Freunden etc. erzählen soll. 

Dass nicht jeder Bock hat, öffentlich über seine Erkrankung, und dann noch seine Darmerkrankung zu schreiben, kann ich völlig verstehen. Gerade weil es eine Darmerkrankung ist und darüber in der Öffentlichkeit immernoch nicht gerne, dafür aber hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, behalten es so viele für sich. Schließlich ist es eine unsichtbare Erkrankung, die weder auf den ersten, noch bei den meisten auf den zweiten, Blick, offensichtlich wird. 

Aber ist es nicht gerade deshalb so wichtig, dass man wenigstens seinem unmittelbaren Umfeld gegenüber offen und ehrlich ist? Wie viele von uns fühlen sich an vielen Tagen nicht top, möchten lieber Ruhe haben als rausgehen, lieber im Bett bleiben statt sich zur Arbeit zu schleppen oder nichts statt einer Pizza essen? Und das nicht, weil wir launisch sind, sondern weil es uns schlecht geht, weil wir uns verletzlich und krank fühlen. Macht es uns da nicht noch verletzlicher und bedrückt uns die Krankheit mehr, wenn wir unseren Liebsten nichts von der Erkrankung oder den erneuten Schmerzen, Durchfällen etc. erzählen oder es herunterspielen? Statt dass wir es einmal, auch wenn es vielleicht unangenehm ist, hinter uns bringen? Denn nur so kann man doch, wenn man sich ausruhen muss, richtig Kraft schöpfen: indem man in seiner vermeintlichen Schwäche selbstbewusst sein kann wie man ist und sich nicht hinter einer Maske verstecken muss.
Kalenderblatt, FLOW, 27.11.2016
Selbst auf der Arbeit habe ich mit dieser Offenheit bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Das heißt nicht, dass ich mich besser fühle, wenn ich wieder krank bin. Wer tut das schon? Wahrscheinlich mache ich mir da genauso viele negative Gedanken wie alle anderen. Aber ich weiß wenigstens, dass mein Chef Verständnis für meine Situation hat und mich nicht gleich abmahnt, dass er weiß, dass ich nicht aus Spaß zuhause bleibe und auch dass ich wieder voll bei der Sache bin, wenn es mir besser geht. Arbeitsstellen sind jedoch leider unterschiedlich und ich gebe zu, dass ich mit meiner sicherlich sehr viel Glück habe. Trotzdem glaube ich, dass Offenheit und das, was man erzählt, in den meisten Fällen auch für klare und offene Verhältnisse sorgt. Und auch, wenn das bezüglich der Arbeit und der Sicherheit des Arbeitsplatzes verständlicherweise nicht jeden überzeugt, zuhause sollte es doch möglich sein, offen und ehrlich über seine Erkrankung zu sprechen.

Damit man durch das, was man (wichtiges) versteckt und mit sich selbst ausmacht, nicht noch verletzlicher wird. Damit man sich ausruhen, entspannen und gesund werden kann. Und auch damit man sich seiner Selbst bewusst an jemand anderen anlehnen und Kraft schöpfen kann.

Ich kann euch nur sagen, dass man dafür gar nicht so mutig sein muss und wünsche euch ein verständnisvolles, gut sorgendes Umfeld!
Josie

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